Paula und der Callboy
Von Anna, veröffentlicht am 11.01.2016
Wir Frauen lieben es, über Sex zu sprechen. Der beste Beweis dafür ist meine Freundin Paula. Sie ist wirklich hemmungslos – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Meistens aber drehen sich unsere Gespräche um Tipps. Um Sex-Tipps wohlgemerkt. Dann überlegen wir uns, wie wir im Bett (oder sonstwo) noch mehr Spaß haben können. Oder wie man sich am besten auf Analsex vorbereitet. Oder wie man es schafft, beim Deep Throat nicht zu würgen.
Natürlich sprechen wir auch über Sehnsüchte und Fantasien. Wir lieben es, uns „Was-wäre-wenn-Geschichten“ auszudenken. So wie neulich: Wir philosophierten darüber, wie es wohl ist, für Sex zu bezahlen. Sprich, mit einem Callboy ins Bett zu gehen. „Das haben wir Frauen doch überhaupt nicht nötig!“, war ich der Ansicht. Paula grübelte. „Das sehe ich anders, Anna“, hielt sie dann entgegen. „Männer kaufen sich auch keine Frau, weil sie keine kriegen, sondern weil es ihnen einen gewissen Kick gibt. Es verleiht ihnen Macht. Und Macht verleiht Lust. Warum sollte das bei Frauen anders sein?“ – „Wetten, Du traust Dich nicht, Dir einen Callboy ins Bett zu holen?“, fragte ich meine Freundin. Paula grinste verschmitzt und antworte dann: „Okay, die Wette gilt! Vorausgesetzt, Du rückst die Scheine dafür rüber. Im Gegenzug werde ich Dir detailgetreu erzählen, was ich mit dem Kerl alles erlebt habe.“
Wenig später surfte ich auch schon im Netz, um zu erfahren, was mich unsere Wette kostet. 200 Euro müsste ich mindestens dafür blechen, aber das war mir die Sache definitiv wert. Und wer weiß, vielleicht würde ich eines Tages all diese erotischen Geschichten zu Papier bringen und damit einen Bestseller landen. Die 200 Euro hätte ich dann ruck, zuck wieder raus.
Als Paula zwei Wochen später wieder bei mir vor der Tür stand, um mir von ihrem Abenteuer Bericht zu erstatten, war ich richtig aufgeregt – fast so wie vor einem ersten Date. An Paulas Gesichtsausdruck erkannte ich sofort, dass offenbar alles glatt gegangen war. Und mit meinem ersten Eindruck lag ich goldrichtig. Siegessicher schwenkte sie eine Flasche Sekt herum und triumphierte: „Gewonnen!“
Paula hatte es also tatsächlich getan. Sie hatte sich im Internet einen Callboy ausgesucht, der ihr vom Foto her zusagte. Dann traf sie ihn auf einen Kaffee, denn sie wollte, wie sie sich ausdrückte, „nicht die Katze im Sack kaufen“. Fakeprofile gibt es im Netz schließlich zuhauf. Leon aber war kein Fake. Er war echt und das, was Paula zu sehen bekam, gefiel ihr ausgesprochen gut. Sie geriet sogar richtig ins Schwärmen: „Er ist groß und sehr muskulös, er hat die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen habe und strahlend weiße Zähne. Und er interessiert sich für Architektur – genau wie ich. Nach unserem Date war ich wie elektrisiert und konnte es kaum abwarten, zu erleben, was er sonst noch so drauf hat.“ Am nächsten Tag verabredeten sich die beiden zum Sex. Paula hatte ihn zu sich eingeladen, weil ihr ein Heimspiel angenehmer als ein Hoteltreiben erschien. „Ich vertraute ihm einfach“, meinte Paula, „Und ich hatte ja auch die Kontaktdaten seiner Agentur. Abgesehen davon wollte ich Dir, liebe Freundin, schlicht und ergreifend die Hotelkosten ersparen.“
Wenn man Paulas Erzählungen Glauben schenkt, war Leon der perfekte Liebhaber. Seine Finger, seine Zunge – dieser Mann war ein wahrer Vorspiel-Meister und wusste genau, was Frauen gefällt. Erfahrung zahlt sich eben aus. „Beim Sex war ich allerdings kurz ein bisschen enttäuscht“, fuhr Paula mit ihrem Bericht fort. „Ich kam mir vor wie im Kamasutra-Workshop. Vielleicht wollte er einfach etwas angeben und mir zeigen, dass er das volle Repertoire drauf hat. Irgendwann habe ich mich einfach auf ihn gesetzt – und siehe da: Es lief gleich viel besser. Manchmal muss man eben selbst die Zügel in die Hand nehmen. Ich wurde jedenfalls von einen Monster-Orgasmus überrollt. Wir haben dann noch eine Zigarette danach geraucht, ein wenig geplaudert und dann drückte ich ihm das Geld in die Hand.“ Genau an dieser Stelle bohrte ich natürlich nach: „Und, hat es Dir einen Kick gegeben?“ Paulas Antwort fiel ehrlich aus und anders als erwartet: „Nein, ich habe beim Sex gar nicht mehr daran gedacht, dass er ein Callboy ist, den ich anschließend bezahle. Ich glaube, der Sex mit ihm war einfach zu gut, um überhaupt an irgendetwas zu denken. Ehrlich gesagt tat es mir sogar ein bisschen leid, so viel Kohle ausgegeben zu haben. Ich wette, ich hätte ihn auch gratis um den Finger wickeln können. Aber zum Glück bekomme ich das Geld ja von Dir wieder, Anna.“ Ja, ja, so ist sie, meine liebe Freundin Paula. Mit ihr sollte man einfach keine Wetten abschließen. Zumindest keine, die mit Sex zu tun haben…
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